31.03.2023 - Aussichten für und Anforderungen an die Messe- und Veranstaltungswirtschaft nach dem offiziellen Ende der Corona-Pandemie

Nach dem Corona-verursachten Desaster für die Messe- und Veranstaltungswirtschaft (MEW) finden seit den Quartalen 3 und 4 des Jahres 2022 wieder vermehrt Präsenz-Messen und -Veranstaltungen statt. Auch die strengen Schutz- und Hygieneauflagen sind weitgehend abgeschafft. Der Wirtschaftssektor verzeichnet wieder zunehmend mehr Geschäft und hofft darauf, dass alles so wird, wie es vor Corona war.

Dies wird jedoch – bei allen Stärken der Präsenzformate – nicht der Fall sein! Denn zwischenzeitlich wurden seitens der Unternehmen digitale Vermarktungs- und Veranstaltungsformate stark ausgebaut und es hat sich gezeigt, dass auch über sie und ihren Stärken die Umsatzziele oft erreicht, teils sogar übertroffen werden konnten. Sie haben sich daher während der Krisenzeit im Marketing-Mix der Unternehmen etabliert und werden diese Stellung auch behalten. Zum einen aufgrund der getätigten, teils beträchtlichen Investitionen in die dafür erforderliche technische Ausrüstung, zum anderen aber auch in Folge des Verlusts / Abbaus von Fachpersonal in den einschlägigen Fachabteilungen (Messe- / Eventabteilung, Promotions, Werbung, etc.) der ausstellenden Unternehmen während der Corona-Krise.

Das Präsenz-Geschäft der Messe- und Eventgesellschaften und -veranstalter kam durch Corona völlig zum Erliegen. Überwiegend reagierten die Anbieter mit Absagen und Nach-hinten-schieben geplanter Veranstaltungen. Vorhandene digitale Formate gab es üblicherweise nur flankierend zu den Face-to-Face-Messen bzw. -Veranstaltungen, dem Kerngeschäft, auf welches die Messegesellschaften und Veranstalter unverändert fixiert scheinen. Denn die Zeit des Corona-Einschnitts wurde mehrheitlich nicht dazu verwendet, die Digitalisierung voranzutreiben und eigenständige digitale Formate als eigenes Geschäftsmodell zu entwickeln. Auch ein Ausbau neuer Konzepte, besserer Serviceangebote und von mehr Kundenorientierung ist in der Breite nicht feststellbar. Diese Versäumnisse werden zusammen mit einer weiterhin geringeren Anzahl ausländischer Aussteller und Besucher, einer enormen Verteuerung physischer Messe- / Veranstaltungs-teilnahmen für Aussteller und der bleibenden Koexistenz der digitalen Formate eine Rückkehr zum Vor-Corona-Geschäftsvolumen auf Sicht verhindern. Strategische Kooperationen, gerade im Bereich digitaler Lösungen und virtueller Plattformmodelle, mehr Service- und Kundenorientierung sowie neue Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilität, Energie oder Ernährung / Gesundheit bringen aber auch neue Geschäftschancen, die frühzeitig zu nutzen wären.

Ähnlich unvorbereitet und drastisch wurden von Corona die Messe- und Eventdienstleister aller relevanten Leistungsbereiche getroffen. Die Folge waren zahlreiche Insolvenzen, Geschäftsaufgaben und Notverkäufe, Ausdünnung von Eigenkapitalreserven sowie der Abbau und die Abwanderung von Fachkräften. Auch Bemühungen, das weggebrochene Geschäft durch Migration in neue Geschäftsfelder zu kompensieren, waren nicht immer und nicht immer rechtzeitig erfolgreich. Nur die nicht rein handwerklichen Dienstleister, die beizeiten die Entwicklung und Chancen der Digitalisierung erkannt und ihr Portfolio bereits vor Corona mit Tools und Leistungen erweitert hatten, konnten weiterhin Kunden und Erträge generieren und die Pandemie relativ unbeschadet überstehen.

Mit dem nennenswerten Re-Start physischer Veranstaltungen erholt sich das Geschäft der verbliebenen Messe- und Eventdienstleister in den meisten Branchen nun recht schnell. Die Kapazitäten sind geringer als es der Bedarf ausstellender / teilnehmender Unternehmen ist. Mittel- bis langfristig beeinträchtigt wird das Geschäft der Dienstleister durch das während der Pandemie abgebaute oder durch Migration in andere Berufsfelder verlorene Fachpersonal, den Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, der Verteuerung und Verknappung von Materialien durch die Lieferkettenproblematik sowie weiterer Auflagen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Energieeinsparung.

Als neues Berufsbild auf Seite von Messebauern bzw. Messe- und Eventagenturen werden „Schnittstellenmanager*innen“ diskutiert. Dieser Typus „Generalist*in“ mit einem umfassenden Kompetenzprofil von der strategischen Beratung über die Inhouse-Koordinierung aller Beteiligten beim Aussteller bis hin zur Projektrealisierung ist am Arbeitsmarkt aber kaum zu finden, so dass Dienstleister hier eigenes Personal ausbilden bzw. berufsbegleitend qualifizieren müssten. Kurzfristig wird das in der Breite nicht zu erwarten sein.

Die ausstellenden Unternehmen werden schon wegen der Kostenexplosion in der Spitze von bis zu mehr als 50 Prozent bei der Realisierung physischer Messe- / Veranstaltungsauftritte die Notwendigkeit und den Nutzen von Teilnahmen insbesondere bei niederrangigen C- und B-Messen stärker hinterfragen und die Zahl ihrer Beteiligungen reduzieren. Aus demselben Grund werden große Flächenstände tendenziell verkleinert werden. Beides schmälert das Geschäft der Messe- und Eventveranstalter. Insbesondere die Großunternehmen haben in der Corona-Pandemie sehr zügig und investiv mit Digitaltechnologie aufgerüstet und ihre stark eingeschränkten physischen Vermarktungskanäle durch digitale Tools und Formate erfolgreich kompensiert. Daher wird die Landschaft der digitalen Applikationen nicht mit dem Re-Start von Face-to-face-Formaten wieder verschwinden, sondern in enger Verzahnung koexistieren und technologisch kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Der Faktor Zeit wird als kritischer Erfolgstreiber weiter an Bedeutung gewinnen. Von Innovationszyklen, Planungszeiträumen, der Umsetzung von Maßnahmen bis zur Reaktionsgeschwindigkeit auf Marktereignisse werden Unternehmen agiler werden müssen, um erfolgreich zu bleiben. Auch in Bezug auf diese ausstellerseitige Entwicklung sollten Messegesellschaften und Veranstalter reagieren und kürzere Vorlaufzeiten und Veranstaltungsfrequenzen anbieten, wollen sie nicht auch hier ins Hintertreffen geraten.

Als wettbewerbsdifferenzierender Faktor werden gerade bei realen oder virtuellen Messen und Events attraktive Markenauftritte und emotional wirksame Markeninszenierungen für Unternehmen in Zukunft noch wichtiger, über alle Touchpoints einer Customer Journey möglichst konsistent aufeinander abgestimmt. Denn die Produkte, Dienstleistungen und Hardware-Angebote der Unternehmen sind faktisch hinsichtlich ihrer Kundennutzenstiftung von Kaufinteressierten immer weniger unterscheidbar. Positive Markenerlebnisse und subjektive Gefühle werden dadurch zu entscheidenden Präferenz- und Kaufkriterien.

Besonders bei großen Unternehmen ist zu beobachten, dass bisher organisatorisch getrennte Fachfunktionen der Kommunikation zunehmend zu einer Corporate Communications Zentralstelle integriert und nah an der Geschäftsführung positioniert werden. Damit soll einerseits dem Fachkräftemangel begegnet werden. Es sollen aber auch Entscheidungen beschleunigt, Ressortgrenzen überwunden, Schnittstellen abgebaut und Silodenken reduziert werden und eine bessere Konsistenz über alle bespielten Touchpoints der Customer Journey erreicht werden.

Die vorpandemischen, Präsenz gewohnten Messe- und Veranstaltungs-Besuchenden mussten sich während der Corona-Zeit mit digitalen Formaten begnügen, lernen damit umzugehen und mit einer regelrechten virtuellen Überflutung zurechtkommen. Sie erhielten aber trotz Corona alle für sie relevanten Informationen und Beschaffungen fanden – bis auf die bekannten Lieferengpässe – relativ ungebrochen weiter statt. Auf Grund der digitalen Überfrachtung und der Einbuße realer Begegnungen und Face-to-Face-Beziehungen ist nun mit dem Wiedererwachen der Präsenzveranstaltungen ein deutlicher Besucheranstieg zu verzeichnen, ist eine richtiggehende Lust zum persönlichen Austausch zu verspüren. Dieser steile Anstieg dürfte aber nicht auf Dauer weitergehen, auch besucherseitig werden insbesondere von den jüngeren Kohorten die Vorteile digitaler Kanäle weiterhin geschätzt bleiben, umso mehr als dadurch Reisezeiten und Kosten gespart werden können.

Unter dem Strich ist also festzuhalten, dass – abgesehen von den insolvent gewordenen Betrieben – die MEW im Auferstehen begriffen ist, sich aber auf eine dauerhafte Koexistenz physischer und digitaler Formate einstellen muss – auch die Welt der MEW wird nicht mehr so, wie sie vor Corona war.


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