08.10.2025 - Befragungen auf Fachmessen
Wie im letzten Beitrag angekündigt, beleuchten wir heute das Thema ‚Befragungen auf Fachmessen‘.
In vielen unserer Messeprojekte wünschte unser Kunde, seine Messebeteiligung auch für eine Befragung der Standbesucher (oder auch von Messebesuchern) zu nutzen oder wir legten ihm unter strategischen Aspekten nahe, den Messeauftritt zur Evaluierung wichtiger Themen mit einer Besucherbefragung zu ergänzen. So trat beispielsweise ein international bedeutender Automatisierungshersteller mit einem neuem Markenerscheinungsbild inkl. Messestandsystem und -CD auf einer seiner Leitmessen auf und daher war es geboten, herauszufinden, wie der neue Messeauftritt bei den Besuchern ankommt, wie gut er die Kernthemen transportiert und wie er im Vergleich zu den früheren Auftritten des Kunden als auch zu den Auftritten der wesentlichen Mitbewerber bewertet wird.
Die Kosten für solche Befragungen sind zwar relativ niedrig und in Relation zum Gesamtbudget einer Messebeteiligung so gut wie vernachlässigbar, dennoch wird hier unverständlicherweise oft der Rotstift angesetzt und auf qualittiv unersetzbaren Input von Kunden und Interessenten verzichtet. Aber auch, wenn die Kosten noch so niedrig sind, so sollte so eine Befragung nie aus Alibigründen oder individuellen innenpolitischen Interessen durchgeführt werden, sondern sie sollte stets einen konzeptionell-strategischen Mehrwert liefern. So ein Mehrwert ergibt sich nur dann, wenn zum einen entsprechend inhaltlich aufschlussreiche Fragen gestellt werden und zum anderen die Ergebnisse der Befragung – gerade auch die evtl. weniger erfreulichen – dann auch in die weiteren Konzepte und Operations im Sinne von Verbesserungs- und Optimierungsmaßnahmen einfließen.
Leider haben wir es öfters erlebt, dass Befragungen nur zur Rechtfertigung der Messeteilnahme und des dafür ausgegebenen Budgets (und damit argumentative Sicherung des nächsten Budgets) erfolgten. Oder – schlimmer noch – damit sich die operativ Messeverantwortlichen hinterher auf die Schulter klopfen konnten und anhand (nur) der positiven Ergebnisse ihre Arbeit gegenüber dem Management in bestes Licht stellen konnten. Beides ist zwar menschlich taktisch nachvollziehbar, sollte aber kein Grund sein, eine Befragung durchführen zu lassen und Geld des Unternehmens auszugeben.
Doch zu den Grundlagen. Es gibt ja verschiedene Arten von Befragungen und unterschiedlichste Gründe dafür. Grundsätzlich können Befragungen auch schon vor einer Messe gemacht werden (z.B. um aus Kundensicht relevante Themenschwerpunkte für den Messestand herauszufiltern), aber auch nach einer Messe (z.B. um herauszufinden, wie viele der per Lead erfassten Standbesucher sich nach x Tagen noch an welche Themen des Messestandes erinnern oder um ein Resümee der Standdienstmitarbeiter zum Messeauftritt mit Verbesserungsvorschlägen abzufragen). Im Folgenden soll aber die am häufigsten praktizierte Befragung betrachtet werden, die, die während einer Messe erfolgt. Hier sind im Wesentlichen drei Unterscheidungen zu treffen: 1) die Befragung von Standbesuchern 2) die Befragung von Standinteressierten (die vor dem Stand verweilend den Messeauftritt betrachten und 3) die Befragung von Messebesuchern (die in der Halle des ausstellenden Unternehmens oder auch im gesamten Messegelände erfolgt).
Letztgenannte ist – zumindest in Deutschland – nicht ohne Erlaubnis des durchführenden Messeveranstalters gestattet. Zudem ist der inhaltliche Bezug zum ausstellenden Unternehmen eher generisch, so dass derartige Befragungen für einen einzelnen Aussteller wenig ergiebig sind. Sie werden daher i.d.R. vom Messeveranstalter durchgeführt und es werden meist soziodemographische und thematisch veranstaltungsspezifische Informationen erfragt (meist auch, um den Erfolg einer Messe „faktisch“ darstellen zu können und Aussteller in ihrer vergangenen Teilnahmeentscheidung zu bestätigen, aber auch um die Messekonzeption bzgl. der Besucherbewertungen und -interessen zu optimieren bzw. inhaltlich anzupassen).
Die Befragung der zweiten Gruppe, den Standinteressierten, ist (zumindest in Deutschland) eine Grauzone, da diese zwar vor dem Ausstellerstand stehen, diesen aber nicht betreten haben und somit nur Messebesucher auf dem Messegelände sind, für dessen Befragung man eine formelle Erlaubnis (oft gegen Gebühr!) des Messeveranstalters benötigte. Meist wird das aber seitens der Messeveranstalter nicht moniert…Standinteressierte zu fragen kann durchaus sinnvoll sein und zu guten Erkenntnissen für den Aussteller führen. So kann es interessant sein, was den Messebesucher bewogen hat, stehen zu bleiben, was die Aufmerksamkeit des Messebesuchers geweckt hat, was ihn interessiert. Aber auch, was ihn daran gehindert hat, den Messestand zu betreten…
Damit ist die Befragung von Standbesuchern die üblichste Befragung, die von Ausstellern erfolgt. Grundlage ist dabei immer ein Fragenkatalog, entweder noch in Papierform (sog. Paper-Pen-Methode) oder schon digital auf Labtops/Tablets/Handys.
In unserer Praxis werden wir immer wieder mit analogen/digitalen Fragebögen konfrontiert, die der Aussteller selbst erstellt hatte und – leider – sind diese selten methodisch fehlerfrei. Einen guten Fragebogen entwickeln, dazu braucht es Expertenwissen, vom grundsätzlichen Aufbau her bis hin zur Fragenformulierung, Festlegung der Antwortkategorien, Skalierung und Kategorisierung für eine möglichst aussagekräftige und zeitsparende Auswertung.
„Beliebte“ Fehler der Do-it-yourself-Fragebögen sind z.B. Fragen, deren Beantwortung und Auswertung nicht eindeutig möglich ist. Wie z.B. „Finden Sie die Themen und Produkte auf unserem Messestand interessant dargeboten und für Ihre Bedarfe relevant?“ Bewertung auf Skala von 1 = Ja, sehr bis 10 = Nein, überhaupt nicht.
Warum ist diese Frage Quatsch? Erstens, weil keinerlei eindeutige Zuordnung der Bewertung zum abgefragten Inhalt möglich ist. Wertet der Befragte z.B. mit einer 4, weiß man ja nun nicht, bezieht sich die Note auf die Themen oder auf die Produkte oder auf beides und ist der Interessantheitsgrad mit der Bewertung 4 gemeint oder bezieht sie sich auf die Relevanz oder auf beide oder irgendwie auf alles in einem Topf, was dann auch kaum Rückschlüsse zuließe!
Korrekt wäre dieser Fehler durch eine Aufteilung in 4 Fragen zu lösen: 1a) Themen interessant dargeboten 1b) Themen bedarfsrelevant und 2a) Produkte interessant dargeboten 2b) Produkte bedarfsrelevant. Desweiteren macht eine so weite Skala von 10 wenig Sinn, da der Befragte zwischen den geringen Graden signifikant kaum unterscheiden kann, es daher eher Zufall ist, ob er nun 3 oder 4, 8 oder 9 wertet. Zudem neigen Befragte i.d.R. dazu, mit zunehmender Skalengraduierung die Extremwerte (1;10) überhaupt nicht zu vergeben.
Woran auch oft nicht gedacht wird ist, dass man insbesondere bei sehr schlechten Bewertungen mit einer dann zu beantwortenden Zusatzfrage nach den Gründen für die schlechte Bewertung (würde natürlich auch bei besonders positiven Bewertungen Sinn machen) zu fragen: „Sie haben die Frage nach…sehr schlecht bewertet – was genau hat Sie nicht überzeugt?“. Auch wenn man hier eine Liste mit einfach ankreuzbaren potenziellen Eigenschaften zur Beantwortung anbieten kann, empfehlen wir hier, dem Befragten eine offene Antwortmöglichkeit zu ermöglichen, da man hier erfahrungsgemäß qualitativ detailliertere Antworten erhält.
Ein weiteres Defizit vieler Befragungen ist, dass man mit einer Erhebung – wenn schon, denn schon – möglichst viele Aspekte abfragen möchte. Mit dem Ergebnis viel zu umfangreicher Fragebögen und einer viel zu langen Befragungsdauer. Die Besucher haben meist ein straffes Besuchsprogramm und weder Zeit noch Lust, einen halbstündigen Befragungsmarathon zu absolvieren (unser festgestellter „Rekord“ eines Kunden lag bei 43 Minuten…). Entsprechend hoch sind dann die Abbruchquoten mit unvollständigen Interviews. Als Richtwert sollten eine Dauer von 8-10 Minuten nicht überschritten werden, was letztlich auch das Budget schont.
Unerfahrene Fragebogenersteller positionieren zu Beginn die soziodemographischen und berufsspezifischen Fragen zur Person des Befragten, um zu wissen, wie relevant der Befragte ist und, um bei geringer Relevanz evtl. die Befragung früh abzubrechen. Allerdings weiß man aus der Kommunikationsforschung, dass jemand gleich zu Beginn eher ungern Angaben zu seiner Person macht. Diese Fragen sollten daher erst zum Ende der Befragung erscheinen.
Natürlich gibt es viele weitere und wichtige Aspekte bei der Konzeption eines guten Fragebogens, unabhängig von der Befragungsmethode (Paper-Pen, Notebook/Interview etc.). Es würde aber den Rahmen völlig sprengen, diese hier alle erörtern zu wollen. Als Erkenntnis aus -zig Befragungsprojekten ist aber die Einbindung eines entsprechend expertierten Dienstleisters dringend anzuraten, das vermeidet völlig unnötige Fehler, bringt einen deutlichen Qualitätsgewinn und spart auch viel Arbeit, insbesondere bei der Auswertung, den Schlussfolgerungen, Optimierungshinweisen und der Berichtserstellung der Befragung. In unseren Kundenprojekten arbeiten auch wir mit einem professionellen Marktforschungsunternehmen bei der Feldarbeit (Interviews), der softwaregestützten Datenaufbereitung und der Reporterstellung zusammen. Wir übernehmen die kundenseitige Beratung, die Fragebogenkonzeption und -erstellung, controllen die Befragung vor Ort und übernehmen die Auswertung und Interpretation der statistischen Ergebnisse, die Ableitung von Optimierungsempfehlungen und die Präsentation/Durchsprache der Ergebnisse beim Kunden.
Der Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass natürlich auch die Leaderfassung eine Art Befragung ist. Hier werden vom Standdienst insbesondere mit geschäftsrelevant eingestuften Standbesuchern geführte Gespräche i.d.R. formalisiert auf einem Gesprächsbogen (sog. Leadsheet) protokolliert, Grundlage ist also der Besucherdialog am Stand in Form eines freien, nicht standardisierten Interviews.
Im nächsten Beitrag werden wir uns einmal etwas leichterer Kost widmen, dem Thema Streu-/Werbeartikel auf Messen – Sinnhaftigkeit, Wirkung, Anforderungen.
Bis dahin bleiben Sie qualitätsorientiert!