25.06.2022 - Nutzen und Grenzen von „Personas“ in der strategischen Planung von Kommunikationskampagnen
Absicht und Verpflichtung von Marken- und Produktkommunikation ist immer die – möglichst bewusste und gezielte – Beeinflussung von geschäftsrelevanten Zielpersonen bzw. Zielgruppen mit dem Ziel, die eigene Marke zu stärken und Kaufentscheider zu einer Präferenz für das eigene Produkt zu veranlassen, so dass man selbst den Vermarktungserfolg hat / das Geschäft macht und nicht einer der Mitbewerber. Desweiteren soll dieser Beeinflussungsprozess natürlich so effizient und effektiv wie möglich erfolgen, d.h. mit möglichst wenig budgetärem Aufwand die gewünschte Wirkung erzielen. Um dies zu erreichen, ist eine möglichst genaue Zielgruppenausrichtung der Kommunikationsmittel, -maßnahmen und der eingesetzten Medien / Channels erforderlich, Streuverluste durch zu heterogene Zielgruppen, nicht auf die Zielpersonen maßgeschneidert abgestimmten Content oder falschen Medieneinsatz sind der Feind gezielter Beeinflussungswirkung und höher möglicher Effizienz. Und genau hier liegen die Probleme bei der Verwendung der sog. Personas!
„Personas veranschaulichen typische Vertreter einer Zielgruppe. Sie haben Erwartungen, Werte, Wünsche und Ziele und zeigen menschliche Verhaltensweisen. Eine Persona ist die Personifizierung bzw. der Prototyp einer Zielgruppe und hilft dabei, Annahmen über Kunden zu treffen. Als fiktive Anwender werden Personas mit konkreten Merkmalen wie Name, Foto, Wohnort, Lebenslauf, Familienstand, Alter, Einkommen, Ausbildung, Fähigkeiten, Einstellungen, Hobbies etc. beschrieben. Sie repräsentieren aber nicht den Durchschnitt einer Zielgruppe, sondern erscheinen als Personen, die Muster im Nutzungsverhalten erkennen lassen.“ (Definition bei https://t2informatik.de/wissen-kompakt/personas/)
„Als archetypische Nutzer repräsentieren Personas die Ziele und Bedürfnisse der Zielgruppe und machen es möglich, von Beginn an fundierte Entscheidungen bei der Entwicklung nutzerfreundlicher Produkte zu treffen.“ (Definition bei https://www.usability.de/leistungen/methoden/personas.html)
Personas sind damit eigentlich als anschauliche Charakterisierung eines Musternutzers insbesondere für einen Produktentwicklungsprozess gedacht.
Sie sind aber meist nicht als Zielgruppen in der Kommunikation geeignet, auch wenn sie bei Agenturen und Unternehmen sehr populär geworden sind und häufig als solche genommen werden!
Weshalb ersetzen Personas i.d.R. keine Zielgruppen?
Wie eingangs beschrieben, sollen Kommunikationsbotschaften und -maßnahmen maximale Beeinflussungswirkung erzielen. Dazu sind sie auf das bei den Kaufentscheidern und deren Beeinflussern jeweils stärkste Interesse / Bedürfnis in Bezug auf das zu vermarktende Produkt / Angebot auszurichten, in der Fachsprache als „Motiv“ bezeichnet. Motive sind der (nicht beobachtbare und oft nicht bewusste) Beweggrund hinter menschlichem Verhalten und Handeln, eine innere Antriebskraft, die Menschen dazu bringt, z.B. ein bestimmtes Produkt haben zu wollen oder sich in bestimmter Art und Weise zu verhalten (z.B. aus Geltungsbedürfnis im Mittelpunkte einer sozialen Gruppe zu stehen). Am Erwerb eines bestimmten Produkts kann ein Mensch natürlich aus verschiedenen Gründen interessiert sein; so fließen in seine Kaufentscheidung im Modebereich z.B. Aspekte wie Kosten, Qualität, Markenimage des Labels (–> damit das eigene Iamge), Nachhaltigkeit, Fairtrade etc. ein. Nur ist in der Regel bei einer Person einer dieser Interessenspunkte am stärksten ausgeprägt, dieses wird dann als Primär-, Kern- oder Hauptmotiv bezeichnet. Und dieses gilt es dann bei dieser Person mit der Kommunikation anzusprechen, denn dann ist bei dieser Person die maximale Beeinflussungschance (Kommunikationseffektivität) zum zu vermarktenden Produkt / Angebot gegeben. Packt man dann alle Personen, die zu dem Produkt / Angebot dasselbe Kernmotiv haben qua definitionem zu einer Gruppe zusammen, dann hat man trotz aller sonstigen Verschiedenheit der Menschen in dieser Gruppe eine bzgl. des Hauptinteresses homogene Zielgruppe, bei der man alle Gruppenmitglieder (Zielpersonen) mit minimalem Streuverlust mit einer Botschaft erreichen und maximales Beeinflussungspotenzial ausschöpfen kann. Genau das ist aber bei „Personas“ meist nicht gegeben. Personas sind nicht um ein Kernmotiv herum gebildet, sondern in Bezug auf die Interessen und Bedürfnisse, Pain Points und Erwartungen der Personen heterogen zusammengesetzte Musternutzer, üblicherweise ohne alle verbindendes eindeutiges Kernmotiv der Personas. Auf welchen Beeinflussungsaspekt soll sich dann aber die Kommunikation fokussieren? Was ist der Aspekt aus der Personascharakterisierung, der maximale Beeinflussbarkeit liefert? Personas sind mehrdeutig und damit wird die Kommunikation psychologisch nicht mehr eindeutig zielfähig. Maximale Kommunikationswirkung braucht psychologische Eindeutigkeit, eine klare Ausrichtung auf das wesentliche Motiv / Interesse / Bedürfnis einer Zielgruppe. Gibt es daher zu einem Produkt z.B. 3 verschiedene Kernmotive, dann ist folgerichtig auch mit 3 verschiedenen Zielgruppen zu arbeiten (außer man priorisiert und wählt weniger aus), die dann – jede für sich – spezifisch genau mit der auf ihr Kernmotiv ausgerichteten Kommunikation zu bedienen ist.
Personas gaukeln Zielgruppen vor, sind dazu aber meist nicht hinreichend geeignet.
Und wie kommt man auf Motive? Hierzu gibt es verschiedene Modelle als Anregung, begonnen mit der Maslow’schen Bedürfnispyramide, dem ERG-Modell, dem Nymphenburger Think-Limbic-Modell, der Archetypenansatz von Carl Gustav Jung, den Sinusmilieus oder die 16 Lebensmotive von Steven Reiss (präferiert der Autor). Meist hilft aber einfach das Nachdenken über menschliche Interessen mit der Frage „Warum soll sich jemand für ein bestimmtes Produkt überhaupt interessieren, warum es haben / nutzen wollen und weshalb sollte er unter allen Anbietern mein Produkt präferieren?