10.06.2004 - Erster Industrie-seitig übergreifend entwickelter Ansatz zur Optimierung von Messe-Investitionen – auch für den Mittelstand.
Den Erfolg einer Messebeteiligung frühzeitig steuern.
Messebeteiligungen werden von Veranstaltern und Ausstellern gerne schon einmal schön gerechnet. Geht es nach den Teilnehmern des „Branchenübergreifenden Messetreffs der Industrie (BÜM)“ soll damit jetzt Schluss sein. Der ExhibitionPromotor steuert und plant die Messeeffizienz bereits von Beginn des Messeprojekts an.
Ob die Beteiligung an einer Messe für ein Unternehmen ein Erfolg war oder nicht, wird – wenn überhaupt – von den meisten Aussteller erst nach der Veranstaltung überprüft. Es werden Kontakte nach Qualität und Quantität gemessen, Besucherbefragungen ausgewertet und tatsächliche Kosten festgestellt. Für diese posthume Erfolgskontrolle gibt es inzwischen unterschiedliche Instrumente, die der ausstellenden Wirtschaft helfen sollen, ihren Messeauftritt objektiv auszuwerten. Der Knackpunkt: Aufgetretene Fehler können im nachhinein nicht mehr korrigiert werden.
Neue Ansätze dagegen liegen dem nun vorgestellten Exhibition Promotor des „Branchenübergreifenden Messetreffs“ zugrunde. Dieser Interessensgruppe BÜM gehören rund 20 Unternehmen an, die sich quer über alle Branchen hinweg zum Erfahrungsaustausch zusammengeschlossen haben. „Anders als gängige Tools dient unser System zur ganzheitlichen Optimierung von Messebeteiligungen vom Beginn an. Wir haben speziell strategische Aspekte im Auge und wollen frühzeitig die Zielerreichung beeinflussen“, erklärt BÜM-Sprecher Ralph Erik Hartleben das Messesteuerungsinstrument, das auf der Basis des Balanced Score Card System (BSC) arbeitet. Während einer zweijährigen Entwicklungsphase wurde es von BÜM-Mitgliedsunternehmen getestet und speziell auf Messezwecke angepasst. Grundsätzlich sehe man den Promotor nicht als in Konkurrenz zu anderen Instrumenten wie etwa dem AUMA KostenNutzenCheck, “bei deren Entwicklung wir uns durchaus konstruktiv eingebracht hatten“, so Hartleben.
Zentrales Ziel des BÜM-Systems: Die Messebeteiligung soll so intensiv wie möglich dazu beitragen, die Erreichung der Unternehmensziele zu beeinflussen und zu unterstützen. Das BSC signalisiert permanent den „Beitrag, den eine Messebeteiligung zur Wertsteigerung eines Unternehmens unter Berücksichtigung seiner Ziele leistet“, so die wissenschaftliche Beschreibung. „Unser System will nicht die Messeteilnahme an sich in Frage stellen, sondern die „Rendite“ einer Messebeteiligung bereits von der Vorbereitungsphase an steuern“, erklärt Hartleben.
Jürgen Grunewald, Leiter der Zentralstelle Messen und Ausstellungen bei Bosch GmbH, Stuttgart, sieht den Vorteil vor allem darin, „dass ich das System während der gesamten Planungsphase mitlaufen lassen kann. Ich weiß jeden Tag, wo ich stehe und an welcher Stellschraube ich drehen muss, damit ich die gesetzten Ziele erreiche.“ Mit 14 Mitarbeitern organisiert er jährlich weltweit bis zu 450 Messe- und Eventprojekte. In seinem Unternehmen wurde der Exhibition Promotor am Beispiel des Automobilsalons in Genf auf Praxistauglichkeit geprüft. Wissenschaftlich begleitet wurde die Pilotierung durch eine Diplomarbeit der Hochschule der Medien, Stuttgart. Im kommenden Jahr soll der Promotor gezielt für die Teilnahme am Automobilsalon in Genf und an der IAA in Frankfurt eingesetzt werden. „Mittelfristig haben wir vor, sämtliche A-Messen damit zu steuern“, kündigt Grunewald an. Der Exhibition Promotor kann sowohl projektbezogen als auch zur Optimierung der Abläufe in einer für die Messeorganisation zuständigen Unternehmensabteilung eingesetzt werden. Zunächst sind hauptsächlich projektbezogene Anwendungen geplant.
Das BSC System erlaubt in jeder Phase der Vorbereitung Korrekturen. Zunächst müssen verschiedene „Perspektiven“, das heißt übergeordnete Zielsetzungen *(siehe dazu untenstehende Begriffserläuterungen) festgelegt werden. Daraus ergeben sich untergeordnete Zieldefinitionen. Eine Perspektive kann beispielsweise „Markt/Wettbewerb“ heißen. Ein Ziel, das sich dieser Perspektive zuordnen lässt, heißt „Erkenntnisse zum Wettbewerb gewinnen“. Als Ziel soll erreicht werden, dass die Besucher den Messestand des eigenen Unternehmens um 0,5 Skalenpunkte (=Maßgröße*) besser bewerten als die der drei bedeutendsten Wettbewerber. Die verschiedenen Ziele aller Perspektiven müssen im Zusammenhang zueinander stehen und es sollten „möglichst wenige, zugleich aber hinreichend viele sein, möglichst nicht mehr als 20“, so BSC-Spezialist Hartleben. Der Projektleiter legt fest, wie er den Grad der Zielerreichung messen kann. Im Falle der Wettbewerbsbeobachtung kommt als Indikator* beispielsweise die Untersuchung der „Besucherpräferenz“ in Frage. Diese wird durch Befragungen (=Messung*) ermittelt. Für die Zielwerte werden Grenz- und Schwellenwerte in einem Korridor definiert. Die Ergebnisse lassen sich an einem so genannten „Cockpit“* ablesen, das die einzelnen Werte übersichtlich grafisch darstellt. Besonders wertvoll ist das BÜM-System für Unternehmen, deren Management bereits mit BSC arbeitet. In diesem Fall lassen sich die Ziele mit denen anderer Units zusammenschließen.
„Dieses System bringt Unternehmensprozesse, die bereits im Gang sind, weiter voran“, weiß Rudolf Sommer, BÜM-Teilnehmer und Leiter Konzernmessen und Events bei Energieversorger EnBW. Seine Abteilung mit sieben Mitarbeitern organisiert jährlich 200 Messe- und Eventprojekte. Die Ziele der Messebeteiligung ebenso wie alle anderen unternehmerischen Entscheidungen stringent mit den Zielen des Unternehmens abzugleichen und sie daran auszurichten, ist bisher noch eher Seltenheit. Das gelte nicht nur für reine Kostenbetrachtungen, sondern besonders auch für so genannte „weiche Ziele“ wie etwa Imagesteigerung, Bekanntheitsgrad erweitern, etc. Das Messeengagement eines Unternehmens wird über das BSC integrativer Bestandteil eines gesamten Kommunikationskonzeptes, zu dem ebenso Directmarketing, CRM und Databasemarketing gehören. „Wir kehren zurück zum klassischen Begriff des Marketingmixes“, so Sommer. Ginge es nach ihm, sollten die einzelnen Marketinginstrumente weniger in Konkurrenz zueinander stehen, als vielmehr integraler Bestandteil einer Gesamtstrategie sein. Sommer nutzt der Exhibition Promotor für die Vorbereitung der HannoverMesse 2005. Vor allem erhofft er sich, die Standmitarbeiter in die Zielerreichung integrieren zu können: „Der Faktor Mensch ist zu 80 Prozent erfolgbestimmend. Aber mit allen Messmethoden dieser Welt bekomme ich den Mensch nicht in den Griff“. Es sei schwierig beispielsweise Imageverbesserung als Ziel bei den Mitarbeitern durchzusetzen, für die sich der Erfolg bislang an der Menge der Kontakte ablesen ließ. Sommer geht für die Zukunft davon aus, dass er das bisherige Controllinginstrument, das lediglich den Kosten-Nutzen-Index berechnete, abschaffen wird.
Das BÜM-BSC ersetze nicht das klassische Projektmanagement, das – hauptsächlich durchführungsorientiert – keine Rundumbetrachtung erlaube und keine strategischen und optimierenden Komponenten kenne, erklärt Hartleben. Noch gibt es den Exhibition Promotor nicht als bequemeres Softwareprogramm, an der Entwicklung wird derzeit gearbeitet. Dennoch können auch BÜM-fremde Unternehmen von der Forschungsarbeit profitieren, der Exhibition Promotor wird als Komplettpaket angeboten. Der Preis richtet sich nach der Unternehmensgröße (Umsatz) und beginnt bei 2.500 Euro.
Im Paket enthalten sind:
1) Ein Poster mit dem gesamten Treiberbaum Messe.
2) Einen 10-Stufen-Plan zur BSC.
3) Die zeitlich wie räumlich unbegrenzte Nutzungsgenehmigung innerhalb des Unternehmens.
4) Die komplette Dokumentation einer BSC-Erstellung für ein pilotiertes Messeprojekt.
5) Excel-Vorlagen zur konkreten Anwendung des Exhibition Promotors.
6) Ein eintägiger Workshop (ohne Reisekosten), in dem Ansatz, Sinn, Nutzen, Aufbau und Einsatzmöglichkeiten etc. erläutert und erklärt werden.
7) 50%iger Preisermäßigung auf das ergänzende zukünftige Software-Tool.
Begriffserklärungen
Perspektiven: Die verschiedenen strategischen Blickwinkel, unter denen ein Geschäftsmodell (bei uns ein Messeprojekt) ganzheitlich (360°) betrachtet und beschrieben werden kann.
Ziele: Unter jeder Perspektive werden die zur Erreichung der Geschäftszielsetzung (z.B. max. Beitrag einer Messe zur gesamtunternehmerischen Wertsteigerung) wesentlichen Ziele definiert. Alle Ziele hängen zusammen.
Indikator: Ein Parameter (pro Ziel sind mehrere möglich), an dem eine Zielevaluierung fest gemacht wird.
Maßgröße: Die Kennzahl zur Quantifizierung des Indikators.
Messung: Die Art/Methode Maßgröße und damit Indikator zu bestimmen/zu messen.
Cockpit: Grafische, visuell möglichst schnell erfassbare Zusammenstellung der Indikatoren und ihrer aktuellen Maßgrößen mit Unterstützung eines Farbcodes: Rot = Handlungsbedarf; Gelb = Beobachten; Grün = Alles OK.
Treiberbaum: Systemische Zusammenstellung aller Stellschrauben/Parameter eines Messeprojekts, die eine Zielerreichung beeinflussen können.(Entscheidungsbaum).
Basisartikel erschienen in:: m+a-report September 2004, S. 12ff