31.07.2025 - Warum sind Standdienstmitarbeiter auf die zwei entscheidenden Fragen von Standbesuchern so oft nicht vorbereitet?

Auch nach Hunderten geführter Gespräche mit Standdienstlern als Besucher auf zahlreichen Fachmessen im In- und Ausland, im Rahmen von Studien und von Kundenprojekten (Standdienst-Benchmarking) haben wir im Laufe der letzten 20 Jahre auf diese Frage noch keine Antwort gefunden. Bis heute ist es für uns unerklärlich, warum die aus Besucherperspektive zwei entscheidendsten Fragen für ein weiteres Interesse an dem Aussteller bzw. einem seiner angebotenen Produkte* oder gar für das Treffen einer Kaufpräferenz so selten zufriedenstellend beantwortet werden. Denn diese Fragen sind – offen gestanden – erwartbar und immer dieselben zwei. Sie schlüssig und überzeugend beantwortet zu bekommen, ist für einen Kaufinteressenten unverzichtbar für seine Anbieterwahl und das Treffen seiner Kaufentscheidung. Tatsache ist aber, dass auf der Messe überzeugende Antworten des Standdienstes die Ausnahme sind.

* Produkt steht hier und im Folgenden als Synonym für Produkt (Hard-/Software), Leistungsangebot,
System, Anlage, Dienstleistung oder Problemlösung!          

Die erste Frage, auf die sich ein erfolgsfokussierter, guter, sprich argumentationsstarker Standdienstmitarbeiter vorbereiten sollte, ist die Frage nach dem Kundennutzen eines Exponats/Produkts, sinngemäß: „Weshalb sollte ich mich für dieses Produkt* interessieren? Was bringt mir/meinem Unternehmen der Einsatz/Kauf dieses Produkts?“

Stellen bzw. stellten wir Standdienstlern diese Frage, bekommen bzw. bekamen wir überwiegend entweder

  • eine Aufzählung technischer Produktmerkmale/-eigenschaften, also z.B. im Bereich Automatisierungstechnik für einen DC-Ladestecker: „Hybrid-Stecksystem | Sicherheitsverriegelung | Leistung DC bis 180 A bei 500 V | Spritzwasserdicht bis IP69K“
  • oder – immerhin schon etwas weitergedacht – eine Aufzählung von Einsatzgebieten, z.B. für eine Softwarelösung zur automatisierten Auftragsbearbeitung: „Entstörungsmanagement | Mobiles Inkasso | Arbeiten in Prüfstellen | Instandhaltung | Gerätemontage | Zählerablesung“
  • oder eine Aufzählung lediglich generischer Leistungsmerkmale, z.B. für ein elektronisches Ruf- und Steuerungssystem: „Höhere Flexibilität | Reduzierung von Komplexität | Identifizieren von Optimierungspotenzial | frühzeitige Störungserkennung | Transparenz der gesamten Fertigung“.

Das alles sind aber keine Kundennutzen, sondern mehr oder minder deskriptive Aussagen, die ein Besucher im besten Falle willens und in der Lage ist, sich in die Nutzenkategorien zu ‘übersetzen‘, die er bräuchte, wie z.B. „30% weniger Fertigungsausschuss“, „18% Einsparung von Energiekosten“, „70% schnellere Informationsbeschaffung“ oder bis zu „27% Verkürzung der Prozessdauer“, etc..

Hierzu ein Beleg für die Wirksamkeit von faktisch konkreten Nutzenbotschaften im Vergleich zu rein technischen oder generischen Aussagen als Ergebnis eines entsprechenden Kundenprojekts unter sonstigen Ceteris-Paribus-Bedingungen (Folgemesse 1 Jahr später, dieselbe Standart, -größe und -positionierung in derselben Halle, identische Standaufteilung und -architektur, dieselben Themen und Exponate, exakt dasselbe Personal): Die Exponatebotschaften wurden faktenmäßig konkretisiert, also z.B. statt „Höhere Energieeffizienz“ –> „18% Energieeinsparung“ oder statt „Kürzere Prozesslaufzeiten“ –> „Bis zu 80% schnellere Prozesse“. Der Standdienst wurde vor der Messe auf diese faktische Argumentation geschult. Das Ergebnis: Etwa 35% mehr qualifizierte Leads im Vergleich zum Vorjahr!

Die 2. für eine Kaufentscheidungsfindung entscheidende Frage, die wir in unseren Gesprächen mit Standdienstmitarbeitern bewusst stellen, lautet: „Warum sollten wir uns für das Produkt X von Ihrem Unternehmen entscheiden und nicht für das eines der ausstellenden Mitbewerber hier in der Halle/auf der Messe, die ja ganz ähnliche Produkte für dieselbe Anwendung im Portfolio haben? Worin ist das Produkt X ihres Unternehmens besser als die Alternativen der Konkurrenz?“

Diese Frage bringt die Standdienstler fast immer in Verlegenheit. Die eloquenten, rhetorisch vielleicht geschulten weichen der Frage aus, indem sie „…zu Mitbewerbern nichts sagen wollen…“ oder „…über Mitbewerber nicht schlecht reden wollen…“ und lassen damit die Frage unbeantwortet.

Andere flüchten sich (vermutlich unbewusst) dann erneut in eine Aufzählung der technisch-funktionalen Produktmerkmale, statt die gewünschte entscheidungsrelevante Nutzenargumentation hinzubekommen.

Die meisten Standdienstmitarbeiter flüchten sich jedoch bei dieser Frage in die Metaebene in Form generischer „Argumente“ wie „lange Tradition, deutscher Hersteller, langjährige Branchenerfahrung, internationales Unternehmen, Zertifizierungen, Nachhaltigkeit, Innovationsfähigkeit des Unternehmens“, und manches mehr. Das Problem: zum einen bekommt man von den meisten anderen Ausstellern ebensolche Plattitüden zu hören, was dem Kaufinteressenten letztlich in seiner Entscheidungsproblematik nicht weiterhilft und damit weitgehend nutzlos ist. Zum zweiten sind das keine Argumente für das spezifisch nachgefragte Produkt des Interesses, sondern allgemeine, oft floskelhafte Attribute eines Unternehmens, einer Marke, einem Image, hilft also höchstens indirekt zur Bildung einer Kaufpräferenz, sofern die Produkte in ihren Eigenschaften und Nutzenstiftungen tatsächlich komplett austauschbar wären – was aber in den seltensten Fällen wirklich der Fall ist. Und selbst wenn, ist die Gefahr groß, dass sich der Kunde dann über den günstigsten Preis bzw. die besten Konditionen entscheidet und der Produktwettbewerb zu einem Preiswettbewerb wird, den zumindest deutsche Unternehmen eher selten gewinnen können.

Oft merkt man Standdienstmitarbeitern bei dieser Frage auch an, dass sie die Mitbewerberprodukte nicht hinreichend, nur dem Namen nach oder gar nicht kennen (z. B. wenn wir gezielt nach einem konkreten Produkt fragen, das ein Mitbewerber auf der Messe ausgestellt hat). Auch das ist dann das Defizit einer mangelhaften Vorbereitung / Standdienstschulung auf die Messe und schmälert die Absatzchancen.

Bei der weitverbreitete Argumentationsschwäche von Standdienstmitarbeitern auf diese für die Kaufentscheidung eines potenziellen Kunden entscheidende Frage, würde jedoch schon eine zumindest halbwegs vorbereitete Argumentationsfähigkeit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bringen, denn bekanntlich gilt ja seit der Renaissance die Erasmus’sche Erkenntnis: „Unter den Blinden ist der Einäugige König!“. Nicht auszudenken, wären beide Augen sehend…


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